Contraddiction heißt der Film, der sich unter anderem mit dem Widerspruch zwischen Snowbaorden einerseits und dem Impact des Wintersports auf die Umwelt andererseits auseinandersetzt. Profisnowboarder und Filmemacher Elias Elhardt verrät im Interview zu seinem Film, was ihn bewogen hat Contraddiction zu drehen und welche Erkenntnisse er für sich aus dieser Arbeit gezogen hat. Contraddiction ist Teil der E.O.F.T. 19/20 (hier on demand).
Elias, vor Corona war der Klimawandel und Fridays for Future Dauerthema in der öffentlichen Diskussion. Hast du diese Debatten verfolgt?
Ja, auf jeden Fall. Der Klimawandel betrifft uns schließlich alle. Jeder hat mittlerweile damit zu tun. Nicht zu Letzt deshalb habe ich einen Film gemacht, der unter anderem dieses Thema zum Inhalt hat. Es interessiert mich auch extrem, dass die jüngere Generation jetzt kritischer wird und sich mit so komplexen Themen wie dem Klimawandel beschäftigt und für ihre Überzeugungen einsteht. Das finde ich eine tolle Entwicklung und es ist wichtig, dass man auch mit den jungen Leuten in Diskussion tritt.
Du bist als Profisnowboarder ja Teil der Wintersportindustrie, deren ökologischer Fußabdruck recht groß ist und deren Auswüchse teilweise auch massive Eingriffe in die Natur bedeuten. Sind diese Themen auch Gegenstand von Diskussionen innerhalb der Profiszene?
Ich denke, in der Vergangenheit haben wir uns zu wenig Gedanken gemacht, welches Narrativ man durch sein Profidasein mitgestaltet. Wir sind um die Welt geflogen und haben überall die besten Bedingungen gesucht. Diese Erzählungen wurden weitergegeben und natürlich wurden gewisse Realitäten und Lebensentwürfe damit vorgeschlagen – ohne sie wirklich zu hinterfragen. Ich habe aber das Gefühl, dass mittlerweile auch innerhalb der Szene ein Umdenken einsetzt.
Wann hast du angefangen, dich mit dem Thema Klimawandel auseinanderzusetzen – gerade auch in Beziehung zu deiner Leidenschaft und deinem Beruf Snowboarden? Gab es ein Schlüsselerlebnis für dich?
Gerade anfangs gab es natürlich Jahre, da habe ich es als größten Traum empfunden, Karriere zu machen und Leistungsziele zu verfolgen. Die Stimmen in mir, die das Ganze in Frage stellen, waren aber immer da – sie sind nur mit der Zeit immer lauter und immer präsenter für mich geworden, sodass ich sie nicht mehr übergehen konnte. Es hat sich für mich die Frage aufgedrängt, was ich konkret beitragen und verändern kann – bin ich doch als Repräsentant eines Lebensstils, der alles andere als nachhaltig ist, und als Werbeträger für Sportartikelhersteller ein Teil des Problems. So geht es mir eben gerade nicht darum, mit dem Zeigefinger auf andere zu zeigen, sondern einen möglichst ehrlichen Zugang zu meinem eigenen Leben und Handeln zu finden.
Du bist gereift?
Ja, so kann man das vielleicht sagen.
In deinem Film Contraddiction, der auch Teil der E.O.F.T. 19/20 ist (hier on demand), thematisierst du ebendiesen Widerspruch, den viele Wintersportler in sich tragen: Spaß im Powder versus Zerstörung der Umwelt. Dem Spaß steht das klima- und umweltschädliche Drumherum gegenüber. Was hat dich dazu bewogen, diesen Film zu machen?
Wie gesagt sind die kritischen Stimmen für mich immer deutlicher geworden, ich selbst habe mein eigenes Tun immer mehr hinterfragt. Ich bin Snowboarder, also nutze ich Snowboarden als Plattform, um größere Themen anzuschneiden. Im konkreten Fall kam ich irgendwann an den Punkt, an dem ich gesagt habe: OK, ich möchte dazu einen möglichst ehrlichen Zugang finden und einen Film machen, der diesen Widerspruch thematisiert. Und zwar ohne den Anspruch, ihn lösen zu können.
Hast du bei der Arbeit zu dem Film trotzdem selbst Erkenntnisse für dich gewonnen und Schlüsse gezogen? Überspitzt gesagt vielleicht etwas wie: Mir reichen die Alpen, ich muss nicht in die Rockys fliegen.
Für mich hat sich vor allem verändert, dass ich mit dem Filmemachen eine neue Leidenschaft gefunden habe, auf die ich mich jetzt konzentriere. In diesem Sinne habe ich nochmal viel mehr Freiheit, eine Geschichte zu erzählen, bei der ich das Gefühl habe, etwas über das Snowboarden hinaus bewirken zu können. Nach dem Dreh zu Contraddiction war ich zum Beispiel im Kosovo und habe einen Film gemacht über ein kleines Skigebiet, das in einer von Konflikten geprägten Gegend zu einem Ort der Begegnung wurde. Hier habe ich die Frage aufgeworfen, was uns in Zeiten von nationalistischen und rassistischen Tendenzen zusammenbringen kann. Es gibt verschiedene Themen, die auf Grundlage des Themas Snowboarden behandelt werden können.
In Bezug auf mein konkretes Handeln und meinen CO2-Abdruck muss ich sagen: Es geht mir nicht darum, zu sagen, ich habe jetzt eine weiße Weste. Im Gegenteil. Ich habe immer noch einen viel zu hohen CO2-Austoß, versuche aber trotzdem, ihn zu limitieren. Ich erzähle nicht mehr die eine Geschichte, dass man sonstwohin fliegen muss, um snowboarden zu gehen. Aber es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, ich gehe nur noch von Innsbruck mit dem Splitboard los. Ich bin immer wieder mit dem Flugzeug unterwegs, habe meine Sposorenverpflichtungen, Teamshootings und so weiter. In meinem Rahmen versuche ich aber, mein Verhalten zu ändern – eine weiße Weste habe ich aber definitiv nicht.
Du hast Sponsoren und Verpflichtungen gerade angesprochen. Welche Möglichkeiten habt ihr als Athleten, um auf die Industrie in Sachen Nachhaltigkeit, Umweltbewusstsein einzuwirken? Findet so etwas statt?
Jaein. Natürlich gibt es Verpflichtungen, denen man nachkommen muss. Das ist mein Job. Aber mein Film Contraddiction ist ein gutes Beispiel, dass hier schon auch etwas möglich ist. Es war ein Herzensprojekt von mir und ich habe meine Sponsoren davon überzeugen können, dass ich mich etwa eineinhalb Jahre darauf konzentrieren möchte. Sie haben das unterstützt. Ich arbeite mit meinen Sponsoren schon sehr lange vertrauensvoll zusammen und beide Seite richten sich nach dem anderen – mal ich nach den Sponsoren, mal die Sponsoren nach mir. Es ist einfach ein Aushandlungsprozess.
Dein Herzensprojekt ist in gekürzter Fassung Teil der E.O.F.T. Kommt deine Massage trotzdem so rüber, wie du es dir vorgestellt hast?
Ja, auf jeden Fall. Es ist natürlich in gewisser Weise ein anderer Film. Die Länge ist nur noch ein Drittel des ursprünglichen Films, der Fokus liegt noch mehr auf dem Fahren und der theoretischen Auseinandersetzung mit dem Widerspruch „Impact auf die Umwelt und Spaß am Boarden“. Der Teil über das Erwachsenwerden und Verantwortung übernehmen schwingt hier eher am Rande mit. Es geht aber bei Contraddiction schon auch darum, wie man den kindlichen Zugang zum Leben, die Unbeschwertheit, die das Snowboarden ja auch verkörpert, erhalten und trotzdem Verantwortung übernehmen kann. Dafür habe ich in der langen Form natürlich mehr Raum gehabt. Aber insgesamt finde ich es richtig gut, was die aus dem Film gemacht haben. Es ist beeindruckend, wie sie es geschafft haben, den Film auf ein Drittel zu kürzen und so viel vom Kern beizubehalten und so etwas Schönes daraus zu machen. Dafür bin ich dem E.O.F.T.-Team auch wirklich dankbar.
Der Widerspruch wird im Film immer wieder angerissen, du hast gesagt, ihr habt bewusst aber auf eine Lösung verzichtet. Weil das ein nächstes Filmprojekt wird? (lacht)
(Lacht) Nein, nein. Es ging eben genau darum, ihn nicht aufzulösen. Ich glaube, dann läuft man immer Gefahr, ein vielleicht in sich geschlossenes und stimmiges Bild zu zeigen, das aber im Gesamtkontext eine verzerrte Darstellung ist. Gerade das Bedürfnis, widerspruchsfrei zu leben, birgt die Gefahr, im großen Ganzen etwas verzerrtes zu zeichnen, das sich ganz schwer mit anderen Realitäten zusammenbringen lässt. In meinen Augen geht es um die Offenheit und Bereitschaft, Widersprüche auch stehen zu lassen und das als Ausgangspunkt zu nehmen, um sein Handeln zu hinterfragen; wohlwissend, dass es nie möglich sein wird, komplett nach seinen Idealvorstellungen zu leben.
Sprichst du hier aus Erfahrung?
Absolut. Das ist ein fortwährender Prozess. Verschiedene Erwartungen und Einflüsse spielen hier mit rein. Das Leben ist immer ein Aushandeln mit sich selbst.
Vielen Dank für das Interview.
Das Gespräch führte Nils Borgstedt
Bild: (c) E.O.F.T. 19/20/Carlos Blanchard Photo
Last modified: 14. Mai 2020