Mit der Free Solo-Begehung vom Weg durch den Fisch an der Marmolata Südwand hat Hansjörg Auer vor knapp elf Jahren ein Ausrufezeichen in der Kletterszene gesetzt. 37 Seillängen, Seit dem sind noch weitere spektakuläre Freesolo-Projekte hinzugekommen. Unter anderem nahm der 33-jährige Tiroler 2011 die Route „Bayerischen Traum“ an der Schüsselkarspitze in Angriff, 2015 folgte Mephisto. Aber warum klettert man eigentlich Free Solo? Im Interview erklärt es Hansjörg Auer.
Auer klettert seit er zwölf ist. Über die Begehung des „Fisch“ sagt er selbst: Das war eine sehr wilde G’schicht. Eingeweiht waren damals nur seine Mutter und sein Bruder. Für Auer hat sich anschließend einiges getan. Es kamen Sponsoren, die ihn und seine Projekte unterstützen, er konnte sein Kletterleben ausleben. Immer wieder nimmt er inzwischen auch Expeditionsbesteigungen in Angriff. Schon 2010 habe ich mich mit ihm über den Reiz des Free Solo-Kletterns unterhalten.
Was bewegt dich dazu, Freesolo-Begehungen zu machen?
Das ist eine ganz schwere Frage. In jedem Fall muss die Motivation dein eigener Wunsch sein. So etwas machst du nur, wenn es von dir selber kommt. ich war ja damals (beim Free Solo von Weg durch den Fisch, Anm. d. Red) noch relativ unbekannt. Ich habe das also nur für mich gemacht. Es war einfach die Zeit und der richtige Moment. Ich wollte das einfach realisieren. Es bewegen einen sicherlich nicht Dinge dazu, wie dass man im Nachhinein bekannter wird. Vielmehr staut sich die Freude über Monate auf. Du freust dich darauf, dass du jetzt über drei Stunden dahinkletterst. Das ist eine ganz persönliche Befriedigung.
Jetzt ist diese Route eine 7b+, 1220 m und 37 Seillängen. Wie bereitet man sich darauf vor, gerade auch mental?
Also ich denke, dass das nicht jeder kann. Ich glaube, man brauch eine spezielle Fähigkeit dazu. Du kannst jetzt sicher nicht hergehen und sagen: ich fange jetzt an zu trainieren, weil mein Plan ist, in einem Jahr diese Route Free Solo zu klettern. Sondern ich glaube, du brauchst die Fähigkeit dazu, dass du im Kopf den Schalter umlegen kannst, dich ganz auf die Bewegung und dich selbst konzentrieren kannst. Und ich muss ehrlich sagen, ich hatte da keinen Psychologen hinter mir oder irgendwas. Ich habe mich aber natürlich auch langsam herangetastet. Meine erste Free Solo Tour war im fünften Grad in einem Klettergarten. Und dann bin ich draufgekommen, dass das meine Sache ist. Mich haben immer Mehrseillängentouren in den Bergen interessiert und dann hat sich das eben so entwickelt. bis zum Fisch. Du bereitest dich vor wie immer, also hauptsächlich mit Klettern. Du bist eh topfit. Und im Kopf habe ich mich so vorbereitet, dass ich immer wieder daran gedacht habe, dass ich das jetzt machen werde. Ungefähr um Weihnachten rum 2006 habe ich das erste Mal dran gedacht und dann hat sich das entwickelt und an dem Wochenende hat es dann gepasst – die Einstellung, die persönliche Form, die Kollegen waren zu der Zeit alle nicht so im Lande, sie waren unterwegs – das ist auch eine Sache, die nicht so einfach ist – und das Wetter hat auch gepasst. Es war die goldrichtige Entscheidung.
Warst du schon einmal in der Situation, dass du dir gedacht hast: Ok, es geht nicht weiter?
Nein. Also wenn du so einen Gedanken hast, dann darfst du sowieso nicht einsteigen. Also du bist hundertprozentig davon überzeugt, dass es funktioniert. Wenn du das nicht bist, dann geht es auch nicht. Und natürlich ist auch so, wenn du einmal einsteigst, dann kannst du nicht mehr zurück. Aber für mich hat die Geschichte schon viel früher angefangen. Schon als ich am Freitag mit den Auto hingefahren bin, konnte ich nicht mehr zurück – obwohl es einfach wäre. Beim Zustieg zu Wand konnte ich auch nicht mehr zurück, obwohl ich nur hätte umkehren müssen. Das ist ein Wunsch, der dann so extrem wird, dass du gar nicht mehr zurück kannst. Ich habe nie einen solchen Gedanken gehabt und war hundertprozentig davon überzeugt, dass es funktioniert.
Und was macht für dich die Faszination Free Solo aus? Das Risiko ist ja schon enorm, in das man sich begibt.
Ja, natürlich. Das Risiko ist extrem hoch. Free Solo Klettern ist eigentlich uncool, weil einfach ein zu hohes Risiko dabei ist. Das muss etwas ganz, ganz Spezielles sein. Ich bin zum Beispiel noch nie vor der Kamera Free Solo geklettert und das mache ich auch nicht. Das interessiert mich auch nicht, Fotos sind eh schon mehr als genug. Ich denke, Free Solo Klettern ist etwas, an das man sich ganz vorsichtig herantasten sollte und empfehlen tue ich es niemandem. Das macht halt jemand, der die Fähigkeiten besitzt und dem das etwas wert ist, der andere lässt es bleiben. Es gibt sehr viele Kletterer, die das mal ausprobieren. Aber viele lassen es auch gleich, weil sie merken, das ist nicht meine Sache. […] Wenn der innerste Drang nicht da ist, dann geht es [bei mir] nicht. Und irgenwie etwas machen, weil die Szene vielleicht mal wieder so etwas brauchen könnte, oder ich persönlich mal wieder so etwas brauchen könnte für die mediale Umsetzung, das ist sowieso der falsche Weg. Also das funktioniert sowieso nicht. Ich weiß nicht, ob ich jemals sowas wieder macht. Das kommt dann irgendwann, wenn es kommen sollte. Und wenn es nicht kommt, dann ist es vielleicht eh gescheiter. Ganz relaxed muss man das betrachten. Und ich bezeichne mich jetzt auch nicht als Free Solo Kletterer. Ich klettere relativ selten ohne Seil, meistens mit Seil. Und dann mach ich andere Projekt mittlerweile.
Inwieweit hat die Suche nach, ich sage jetzt mal überspitzt, dem Spiel mit dem Leben eine Rolle gespielt?
Es ist ja so, dass es nichts intensiveres gibt als ein Spiel zwischen Leben und Tod. Und Free Solo Klettern ist ein Spiel zwischen Leben und Tod. Und das ist irgendwie wie eine Droge. Das Gefühl ist so einmalig und du fühlst dich so leicht und die Bewegungen sind so von einer Leichtigkeit geprägt – das willst du immer wieder haben. Obwohl man weiß, dass darf man nicht immer wieder machen, weil eben ein so hohes Risiko dabei ist. Und es kann was daneben gehen, ganz klar. Es gibt ja auch andere Sportarten, in denen das Risiko ziemlich hoch ist. Beispielsweise das Motorradfahren. Wenn der Motorradfahrer sagt, in diese Linkskurve möchte ich mit 180 fahren, dann wird er sich herantasten und das ist genau das gleiche. Das Adrenalin ist natürlich da, Vollgas. Und das Gefühl ist der Wahnsinn. Ich bin aber inzwischen schon ein bisschen drüber, sodass ich das nicht mehr so brauch. Es gibt andere Sachen, die lässig sind und die einem sehr viel persönliche Befriedigung zurückgeben.
Vielen Dank für das Interview.
Das Interview von mir mit Hansjörg Auer aus dem Jahr 2010 gibt es als Video auf netzathleten.de
Last modified: 5. Februar 2018